Kleine Zeitung - 13.10.2013

Prinzessinnen, rosarot bis tiefschwarz



Lidschatten verschmiert sich am Boden, goldener Glitzer rieselt, Lippenstifte klacken. „Welche Prinzessin gefällt dir?„, wird das Mädchen auf der Bühne forsch interviewt. Den Antworten folgt ein Aufmascherln zur Burgfee oder zur Meerjungfrau.


Ein zuckerlrosa Einstieg in Ann Liv Youngs Interpretation des Disney-Films „Sleeping Beauty„. In ihrem Vierteiler führt die New Yorker Performerin, heuer zum zweiten Mal beim steirischen herbst zu Gast, in kindliche Projektionsflächen weich gespülter Fassaden und oberflächlicher Charaktere ein, geprägt von Disney & Co, von Casting-Formaten, Popkonzerten, Werbung.
Die Prinzessin kommt in sechsfacher Ausführung vor. Drei Männer, zwei Frauen sowie Youngs sechsjährige Tochter arbeiten sich, in rosa Kleidern und blonden Perücken, an den Imaginationen ab. Die Kleine bezirzt das Publikum im Next Liberty.


Kindliche Traumbilder mutieren bald zu zwanghaften Geschlechterrollen. Und die werden mit viel Schweiß und Kitsch in Pop-Karaoke-Sequenzen und Showeinlagen gebogen, gebrochen und zerrissen. Bei Adeles Lied „Someone Like You„ kurvt Young auf einer pinken, fahrbaren Kloschüssel über die Bühne. Das ist alles sehr amerikanisch, sehr unterhaltsam und für jene, die erstmals ins Young-Universum eingeweiht werden, mitunter auch sehr befremdlich.


Verkaufen statt verbeugen

Und dabei durchaus erwünscht. Denn: Wohlbefinden steht eindeutig nicht auf Youngs Agenda, das belegt der zweite, in Graz uraufgeführte Teil ihrer Show. Kohlrabenschwarz löst Zuckerlrosa ab, härtere Musik die Pophymnen. Stellenweise wird es richtig ungemütlich, wenn sich zwei der Performer wie Gestalten aus Horrorfilmen keuchend und kreischend nähern. In steten Wiederholungen, gefühlt immer einen Tick zu lang, fordert Ann Liv Young ihr Publikum. Gebückt und gedemütigt als Mary und im Finale (nach einem Stromausfall) routiniert und beinhart als herbst-bekannte Südstaaten-Therapeutin Sherry, die Einzelne vor allen ausfragt, demütigt. Einfach ist das alles nicht. Das Element, das den Ernst in ihrer Arbeit immer wieder bricht: Merchandising. Verkaufen statt Verbeugen.

Julia Schafferhofer
wukonig.com