Der Standard - 12.10.2013

Massenauflauf im Schein trüber Taschenlampen

Federico Leóns „Las Multitudes„ erlebte müde österreichische Erstaufführung in Graz



Gruppen junger Mädchen, in unglücklicher Verliebtheit aufgelöst, junge Männer, verwirrt nach der Liebsten suchend, Kinder alte Herren und Damen. Alle fallen sie immer wieder im Dunkel, das sie nur notdürftig mit Taschenlampen erhellen, über den großen Bühnenraum der Helmut-List-Halle her.


In Heerscharen trippeln sie mal in weißen Nachthemden von links einher, oder sie poltern in Jeans und T-Shirts von rechts an die Rampe. Was wollen sie? Die Geschichte, die der argentinische Theater- und Filmemacher Federico León mit 120 Darstellern generationsübergreifend erzählen will, ist eigentlich eine simple: Ein Jüngling liebt ein Mädchen, die aber einen älteren Musiker liebt, der aber auch nicht zu haben ist. Die Liebesqualen nehmen ihren Lauf. Um sie zu zeigen, castete León jeweils zwölf Vertreter jeder gezeigten Generation.


Der Massenlauf habe etwas mit Massenbewegungen zu tun, mit Occupy Wall Street, mit der ganzen Welt, in der wir irgendwie zusammenhängen, hieß es im Vorfeld im Steirischen Herbst.


Eine schöne Idee. Und nach dem wunderbaren Besuch Leóns mit Yo en el futuro im Steirischen Herbst 2009, wo auch mit der multiplen Darstellung von Figuren gearbeitet wurde, hätte man ihm die spannende Umsetzung der Idee für Las Multitudes auch zugetraut, ja, sich sogar darauf gefreut.


Doch leider wurde man bei der österreichischen Erstaufführung am Donnerstag enttäuscht. Denn nach zehn Minuten hat sich der Effekt der Großgruppen, deren Auf- und Abgänge die Dialoge schleppend gestalten, totgelaufen.

Wenn ein Mädchen einer alten Frau zu Hause etwas Intimes erzählen will und hunderte „Tanten„ dabeistehen, erinnert das mehr an eine penetrante Großfamilie als an die Occupy-Bewegung. Die gute Stunde, die der Generationsschaulauf andauert, ist nicht gerade spannungsgeladen.


In jeder Hinsicht erhellende Ausnahmen sind Szenen wie jene, in der eine Boyband ein Konzert spielt, die Mädels flippen und sich Senioren im Publikum verstohlene Blicke zuwerfen. Oder das Abschlussbild in einer vernebelten Disco. Da bekommt die Menschenmasse etwas Authentisches und erinnert an Leóns anderes Medium, den Film.

Colette M. Schmidt
wukonig.com