Kleidung vermittelt kulturelle Wertvorstellungen, spiegelt soziale Zugehörigkeit wider, ist ein unverzichtbarer Träger mitunter auch vermeintlicher Individualität, transportiert nichts weniger als ein Weltbild – sie ist unsere zweite Haut. Ist es nicht ein zutiefst irritierendes Gefühl, gleicht es nicht beinahe Verrat, einem Fremden zu begegnen, der unser Lieblingskleidungsstück trägt? Geteilt wird nicht, wir ziehen es vor, unsere Hülle als einzigartig zu begreifen.
In dieser äußersten Schicht unserer Identität also sind unzählige Emotionen und Erinnerungen gespeichert. Die rumänische Künstlergruppe Apparatus 22 geht nun daran, unser Verhältnis zur Kleidung im wahrsten Sinne des Wortes zu kartografieren: Über einen längeren Zeitraum werden Besucher in unterschiedlichen Posen mit einer Polaroid-
Sofortbildkamera festgehalten, darauf hin werden diese Fotos gemeinsam mit der Künstlergruppe in Gefühlskategorien eingeordnet. Mit den Aufnahmen, den Geschichten darüber und den getroffenen Einschätzungen entwerfen Apparatus 22 eine überdimensionale Mindmap, eine zweidimensionale Installation, die die Definitionsmacht von Kleidung über Körper und Identität nachzeichnet. Eine Momentaufnahme der Bewohner und Besucher von Bad Gleichenberg, die sicherlich über mehr als nur modische Vorlieben zu berichten vermag.
2013 war die Künstlergruppe bei der Biennale in Venedig vertreten. 2011 drang Apparatus 22 beim steirischen herbst in das kollektive Unbewusste der Grazerinnen und Grazer vor, als sie in einem archaischen Tauschritual für preisgegebene Albträume im Gegenzug heilende Zauberamulette anfertigte. Auch „Kartografie II (Bad Gleichenberg)“ ist ein Tauschgeschäft: Die Besucher verraten, wie es um die emotionale Bindung zu ihrer Kleidung bestellt ist und bekommen dafür ein Kartenwerk mit Identitätsbestimmungen. Und als Bonus wird jedes Foto nach der Ausstellung an seine rechtmäßigen Besitzer retourniert.