Es sind Themen von existenzieller Natur, die der französische Choreograf und Tänzer Boris Charmatz in seinen Stücken behandelt. Zuletzt beleuchtete er in „enfant“ das Verhältnis von Kindern und Erwachsenen. Damit unterstrich er abermals seinen Ruf als weltweit hoch gehandelter Tanzerneuerer, der immer wieder die Grenzen zur bildenden Kunst und Philosophie überschreitet und so als Impulsgeber für innovative Entwicklungen in der internationalen Tanzszene fungiert.
„Tanzen ist die Mutter der Anorexie“ – diese Behauptung stellt er nun seinem neuen Stück „manger“ voran und untersucht unser zwiespältiges Verhältnis zum Thema Essen gerade im Hinblick auf den idealen Körper. Die Zufuhr von
Nahrung betrachtet Charmatz in ihrer Metaphorik, er geht in seinem Stück mit 14 Tänzerinnen und Tänzern der Frage nach, wie es uns gelingt, die bittere Realität tagtäglich hinunterzuschlingen und zu verdauen.
Dafür unterzieht er den körperlichen Akt des Essens auch einer ästhetischen Betrachtung: Wir öffnen unseren Mund, wir kauen, wir schlucken und wir verdauen. Wir können im Liegen, Gehen oder Stehen essen. Und wir schaffen es sogar – man denke an den Filmklassiker „Das große Fressen“ – , so viel in uns hineinzustopfen, bis wir daran zugrunde gehen. „manger“ will einen konstitutiven Widerspruch sichtbar machen: Essen ist trotz aller Banalität und Alltäglichkeit bis zum Bersten mit Symbolik aufgeladen.
Produktion Musée de la danse / Centre chorégraphique national de Rennes et de Bretagne (Gefördert durch das französische Ministerium für Kultur und Kommunikation (Regionaldirektion für Kulturelle Angelegenheiten der Bretagne), die Stadt Rennes, den Regionalrat der Bretagne und den Generalrat Ille-et-Vilaine.) Koproduktion steirischer herbst, Ruhrtriennale-International Festival of the Arts, Théâtre National de Bretagne-Rennes, Théâtre de la Ville and Festival d’Automne, Holland Festival & Kunstenfestivaldesarts & Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt am Main Dank an Imane Alguimaret, Marguerite Chassé, Noé Couderc,Lune Guidini, Hypolite Tanguy, den Studenten von P.A.R.T.S. und vom Master-Studiengang Performance Studies (Universität Hmaburg) & Alexandra Vincens Techniksponsor AVL Cultural Foundation
Pressestimmen
In "manger" verdreht Charmatz unseren Blick auf etwas Vertrautes, dessen Regeln wir zu kennen glauben. Das fesselt, schlägt aber auf den Magen. Die Presse 18/10/2014
Charmatz ist bekannt für seine performativen Gesellschaftskritiken und diesmal gelingt es ihm, den Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten: Denn irgendwann während dieser Performance erkennt man sein eigenes Essverhalten. Und vielleicht wird einem klar, dass es an der Zeit wäre, schlicht nicht gedanken- und kritiklos zu essen, was einem aufgetischt wird. Die Performance besteht aus essen, singen, würgen, zucken und verfehlt aber trotz dieser einfachen Aktionen nicht ihre Wirkung. Wiener Zeitung 18/10/2014
Charmatz stellt da eine choreografische Dystopie des Sozialen in einer äußerst entleerten Gesellschaft auf die Bühne. Am Ende wird das Publikum angeleuchtet, wie um anzudeuten: Diese Leere blüht uns allen. Der Standard 18/10/2014
"manger" will einen das Gesamtbild bestimmenden Widerspruch sichtbar machen: Essen ist trotz aller Banalität und Alltäglichkeit bis zum Bersten mit Symbolik aufgeladen. Kleine Zeitung 16/10/2014